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Gehaltsangaben in die Stellenanzeigen!?

Gehören Gehaltsangaben in die Stellenanzeige? Diese Frage wird in sozialen Medien, insbesondere auf LinkedIn, immer wieder heftig diskutiert und entsprechende Beiträge erreichen jedes Mal hohe Klickzahlen und viele Kommentare. In diesem Beitrag werde ich kurz auf das Pro und Contra zu dieser Frage eingehen und dabei insbesondere einen Einblick auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu geben. 

Bildnachweis: Schicht im Schacht
Bildnachweis: Schicht im Schacht

Gastbeitrag von 

Prof. Dr. Claus Vormann

Fachhochschule Dortmund - University of Applied Sciences and Arts

FB Wirtschaft, BWL, insbesondere Human Resources Management

https://www.linkedin.com/in/ccvormann/ 


Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen - was bedeutet dies?

Gehaltstransparenz gibt an, ob Beschäftigte nicht nur ihre eigene Vergütung kennen - logisch, die sehen sie ja beim Blick in ihre Abrechnung - sondern diese aufgrund weiterer Informationen auch in den Kontext der Vergütung ihrer Kolleg:innen einordnen können. Dabei ist Gehaltstransparenz nicht schwarz-weiß, sondern ein Kontinuum mit unterschiedlichen Abstufungen über drei Dimensionen:

  1. Distributive Transparenz: Kenne ich die Verteilung der Vergütung in der Organisation? Weiß ich, wie ich im Vergleich zum Durchschnitt aller Beschäftigten oder verglichen mit Kolleg:innen in ähnlicher Position bezahlt werde? Kenne ich sogar die genaue Vergütung aller Kolleg:innen?
  2. Prozessuale Transparenz: Wie genau kenne ich die Prozesse der Vergütung und weiß, wie Vergütungsentscheidungen getroffen werden?
  3. Kommunikative Transparenz: Darf ich mich frei über meine und andere Vergütungen austauschen oder gibt es Kommunikationsbeschränkungen?

Im Kontext von Stellenanzeigen geht es vor allem um die distributive Transparenz, insbesondere darum, ob in der Anzeige eine aussagekräftige Information zum potenziellen Gehalt der ausgeschriebenen Position steht. Damit sind konkrete Zahlen oder Bandbreiten gemeint und keine allgemeinen Aussagen wie "attraktive und leistungsgerechte Vergütung". 

Wer macht denn sowas?

Leider wissen wir noch nicht wirklich viel darüber, in welchem Maße in Deutschland Gehaltsangaben in Stellenanzeigen veröffentlicht werden. Wir wissen, dass einzelne Stellenbörsen dieses Thema stark pushen und sogar selbst geschätzte Gehälter veröffentlichen, wenn das Unternehmen selbst keine Angaben macht. Eine Auswertung von Stellenanzeigen durch ein Marktforschungsinstitut hat 2020 ergeben, dass rund 12 % der Anzeigen konkrete Angaben zur Vergütung enthalten.

Ich selbst habe im Frühjahr 2023 eine Kurzbefragung zu diesem Thema durchgeführt. Diese hat ergeben das 17 % der teilnehmenden Unternehmen (n = 88) entsprechende Angaben veröffentlichen, und zwar ganz unabhängig von der Branche oder der Unternehmensgröße.

Gehaltsangaben veröffentlichen? Ich bin doch nicht blöd!

Wenn 83 % der befragten Unternehmen keine Gehaltsangaben in ihren Stellenanzeigen veröffentlichen, muss es Gründe geben, die aus Unternehmenssicht dagegen sprechen. Welche könnten das sein? Hierzu gibt es leider noch keine aussagekräftige Forschung, aber in Gesprächen mit Unternehmensvertreter:innen werden immer wieder folgende Gründe genannt:

  • Durch Gehaltsangaben wird Verhandlungsposition schlechter, innerhalb einer Spanne fordern Bewerber:innen das Maximum.
  • Vergütung ist ein Betriebsgeheimnis, die Konkurrenz soll die Zahlungsbereitschaft nicht durch die Stellenanzeigen erfahren.
  • Unternehmen, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht mit den Angeboten der Wettbewerber mithalten können, befürchten, dass Ihre Anzeigen weniger attraktiv sind, wenn sie auf die geringe Vergütung hinweisen.

Oder ist es doch keine schlechte Idee?

Die Argumente sind durchaus nachvollziehbar. Gleichzeitig sprechen jedoch einige Gründe für Gehaltsangaben in Stellenanzeigen:

  • Bewerberinnen verlangen diese zunehmend und nach den (nicht ganz neutralen) Untersuchungen verschiedener Stellenbörsen, haben Anzeigen mit Gehaltsangaben eine höhere Klickrate also solche ohne. Mit dieser Frage beschäftigt sich gerade auch - wissenschaftlich neutral - eine Thesis unter meiner Betreuung. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt.
  • Gehaltsangaben helfen Kandidat:innen, die Stelle besser einzuschätzen und sich bei unpassender Gehaltsvorstellung gar nicht zu bewerben. Das verringert auch den Aufwand der Recruiter:innen in der Personalauswahl.
  • Gehaltsangaben signalisieren, dass das Unternehmen fair vergütet und nichts zu verbergen hat. Das kann die Attraktivität auf einem umkämpften Arbeitsmarkt steigern.
  • Nicht zuletzt: Mit der Umsetzung der neuen EU Entgelttransparenz-Richtlinie im Frühjahr 2026 müssen Unternehmen die Vergütung vor dem ersten Gespräch ohnehin offen legen. Daher ist es sehr sinnvoll, sich bereits jetzt mit dem Thema zu beschäftigen. 

Was ist sonst noch wichtig?

Wer sich dazu entschließt, Stellenanzeigen mit Vergütungsinformationen zu veröffentlichen, muss sich darüber im Klaren sein, dass das der erste Schritt zu insgesamt mehr Gehaltstransparenz im Unternehmen ist. Die bestehende Belegschaft kann aus den Informationen in den Anzeigen auf das allgemeine Vergütungsniveau im Unternehmen und vielleicht sogar auf das angebotene Gehalt für eine gleichwertige Stelle schließen.

 

Über die Wirkung dieser Transparenz auf Motivation und Verhalten der Beschäftigten gibt es in der Forschung sehr unterschiedliche Erkenntnisse. Aber eine Tendenz lässt aus vielen Studien klar ableiten: Fairness der Vergütung ist entscheidend! Unfaire Verteilung und Prozesse haben sehr negative Wirkungen, wenn sie durch Transparenz bekannt werden. Also sollte sich jedes Unternehmen über den Grad der Fairness der eigenen Vergütung im Klaren sein und diese vorab gründlich analysieren. Wer fair vergütet, braucht Transparenz nicht zu fürchten.

 

Und auch hier gilt: Ab Frühjahr 2026 wird die Transparenz für viele Unternehmen ohnehin zur Pflicht. Wer vorausschauend und strategisch denkt, setzt sich jetzt schon mit dem Thema auseinander und stellt die entsprechenden Weichen.

Wer sich noch tiefer mit dem Thema beschäftigen möchte, findet die Ergebnisse der Kurzbefragung und etwas mehr wissenschaftlichen Hintergrund in meinem Working Paper Say what you pay? Pay Information Disclosure in German Job Postings https://doi.org/10.26205/OPUS-3740

 

 

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