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Design Thinking meets Employer Branding

Design Thinking meets Employer Branding

Beitrag von Violetta Meyer

Gründerin innohuman & Organisationsentwicklerin

Mehr zur Person

 

Warum Design Thinking für das Employer Branding perfekt geeignet ist

Früher war die Produktentwicklung ein jahrelanger Prozess, der hinter verschlossenen Türen von Ingenieuren ausgetüftelt wurde. Wenn das Produkt dann fertig war, übergab man es dem Vertrieb und informierte das Marketing, damit diese das Produkt an den Mann oder die Frau bringen. Das barg jedoch hohe Risiken für das Unternehmen. Im schlimmsten Fall konnte es passieren, dass sehr viel Geld in die Entwicklung gesteckt wurde, das neue „Super-Produkt“ aber wenige bis keine Abnehmer fand.

 

Mit Innovationsmethoden wie Design Thinking werden Produkte oder Services entwickelt, die Kundenprobleme lösen.

 

Albert Einstein soll gesagt haben: Wenn ich eine Stunde Zeit hätte, um ein Problem zu lösen, würde ich 55 Minuten damit verbringen, über das Problem nachzudenken und fünf Minuten über die Lösung.” (ggf. Bild von Albert Einstein mit Zitat).

 

Die Erforschung der Kundenbedürfnisse ist der erste Schritt. Genauso sollten wir bei einem Employer Branding Projekt anfangen. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass wir hier nicht im Bereich der Endkunden unterwegs sind, sondern uns auf (potentielle) Bewerberinnen und Mitarbeiter konzentrieren.  

Wie funktioniert Design Thinking?

Design Thinking

Grundsätzlich ist Design Thinking nicht nur ein Prozess zur Produktentwicklung, sondern auch Mindset und Werkzeugkasten. 

 

Bei Design Thinking gibt es in der klassischen Variante 6 Phasen oder Schritte. Dabei beschäftigen sich die ersten drei Phasen mit dem Verstehen des Problems und der Kundenbedürfnisse. Diese werden so konkret wie möglich herausgearbeitet. Erst wenn klar ist, für wen welches Problem gelöst werden soll (Phase 3), geht man in den Lösungsraum, generiert möglichst viele Ideen (Phase 4), sucht die Besten heraus (Phase 4), erstellt einen Prototypen (Phase 5) und testet diesen beim Kunden (Phase 6). 

Was passiert in den einzelnen Design Thinking Phasen?

Design Challenge

Bevor wir mit dem Design Thinking Prozess starten, braucht es eine Challenge. Die Design Challenge

  • sollte als Frage formuliert werden
  • ist immer offen formuliert
  • greift keiner Lösung vor
  • ist inspirierend und motivierend

Für das Employer Branding Projekt gibt es eine übergeordnete Design Challenge, die erstmal allgemein formuliert ist z. B. „Wie können wir eine unverwechselbare Arbeitgebermarke mit Magnetwirkung entwickeln?“.

 

Da diese Design Challenge viel zu breit ausgelegt ist, muss sie auf einzelne Challenges heruntergebrochen werden. Hier ist Priorisierung gefragt, sonst kann man sich leicht verzetteln. Beispielsweise kann es bestimmte Mitarbeitergruppen geben, die besonders schwierig zu bekommen sind. Dann fängt man hier an. Oder man möchte bestimmte „Baustellen“ gezielt angehen und zum Beispiel den Onboarding-Prozess neu gestalten. Daraus könnte sich dann diese Challenge ableiten: „Wie können wir ein Onboarding-Erlebnis für unsere neuen Auszubildenden im technischen Bereich gestalten?“

 

Wie Ihr eine Design Challenge formulieren könnt, erfahrt Ihr in meinem Blog-Artikel "Wie formuliere ich eine inspirierende Design Thinking Challenge?"


Verstehen

Design Thinking Phase 1 Verstehen

In der ersten Design Thinking Phase geht es darum, möglichst viele Informationen zu dem Thema zu sammeln. Die Design Challenge wird im Team besprochen und Verständnisfragen geklärt. Im Anschluss startet die Recherche. Ziel ist, das Team auf den gleichen Stand zu bringen und zu „Sofort-Experten“ zu machen. Das Team macht sich in dieser Phase auch Gedanken, wie und wo Personen für die Challenge befragt werden könnten. Zum Abschluss der Phase beginnt die Vorbereitung für die Interviews. Bei der Befragung von Mitarbeitern muss der Betriebsrat eingebunden werden. Zur Befragung von potentiellen Bewerberinnen eignen sich Messen sehr gut.

 

Methoden:

  • Visualisierung: Post-Its, Fotos, Zeitungsartikel, Studien,… werden für alle Teammitglieder auf dem Whiteboard sichtbar gemacht
  • Mindmap: Eignet sich sehr gut, um ein Thema zu erschließen
  • Candidate oder Employee Journey (=Bewerberinnen- oder Mitarbeiterinnen-Reise): Hier werden die Berührungspunkte der Bewerberin während beispielsweise des Bewerbungsprozesses beschrieben. Insbesondere sind hier die Emotionen in dem jeweiligen Berührungspunkt wichtig.
  • Interview-Leitfaden: Das Team überlegt sich Fragen, die in den Interviews beantwortet werden sollen.

 


Beobachten

In dieser Phase dreht sich alles um das Gespräch mit den vorher definierten Bewerber- oder Mitarbeitergruppen. Das Motto lautet: „Raus aus dem Büro, rein in den Dialog!“. Es werden qualitative Interviews geführt und O-Töne gesammelt.

 

Methoden:

  • Interviews: Es genügen in der Regel 5 bis 10 qualitative Interviews pro Bewerber-/Mitarbeiterinnengruppe, um eine erste Stoßrichtung zu erfassen. Zeitlich sollten 30 Minuten + Nachbereitungszeit eingeplant werden
  • Storytelling: =Visualisierung für das Team: die wichtigsten Informationen aus den Interviews werden den anderen Teammitgliedern mittels Post Its in Form von Geschichten / Zitaten präsentiert
  • Ergebnisse sortieren: Als letzter Schritt wird nach Mustern bei den Befragten gesucht und entsprechend sortiert (Gemeinsamkeiten/Schnittmengen, Widersprüche/Zielkonflikte, Motivationen/Präferenzen, Überraschungen)

Synthese

Die vorausgegangene Phase liefert Erkenntnisse darüber, wo es bei den Problemen der Befragten Gemeinsamkeiten gibt. Die Probleme oder Erkenntnisse werden in dieser Phase verdichtet. Dann geht es darum, der anonymen Zielgruppe ein Gesicht zu geben. Hierfür wird eine fiktive Person (=Persona) beschrieben, mit dem Problem, welches für sie gelöst werden soll. Die Beschreibung geht soweit, dass man einen Namen vergibt, Alter, ggf. Jobtitel, Hobbies usw. Ziel ist, dass im Anschluss nicht Ideen für eine anonyme Zielgruppe entwickelt werden (z. B. Schulabgänger, technischer Zweig), sondern ganz konkret für diese Person (Linus, 16, wissbegierig, Mitglied im Fußballclub, repariert leidenschaftlich Schrottautos, …).

Am Schluss dieser Phase steht die Frage, wie wir ein zentrales Problem für die Persona lösen können.

 

Methoden:

  • Persona: Es wird ein personalisierter Stellvertreter einer Bewerber- oder Mitarbeitergruppe „designt“, der die Bedürfnisse dieser Gruppe repräsentiert
  • Frage zur Problemspezifikation: „Wie können wir unserer Persona helfen, das Problem XY zu lösen?“ Beispiel: „Wie können wir Linus helfen, seine Traumazubi-Stelle zu finden?“  

Ideen generieren

Auf Basis der zuvor formulierten Frage zur Problemstellung geht es in dieser Phase darum, möglichst viele Ideen zu finden, die das Problem für die Persona lösen. Dabei steht zunächst die Quantität im Vordergrund.

 

Hier ist es wichtig, mit Hilfe von Kreativitätstechniken eine Hilfestellung für das Team zu geben, damit Ideen entstehen und durch Interaktion weiterentwickelt werden können. Insbesondere in dieser Phase kommt die große Stärke eines interdisziplinären Teams zur Geltung. Grundsätzlich gilt wie bei allen Kreativitätsphasen, dass Kritik an den entstehenden Ideen in diesem Stadium völlig fehl am Platz ist. Das Motto ist: „Unterstützt verrückte Ideen!“

 

Die Phase endet mit der Bewertung der Ideen durch eine erste subjektive Einschätzung der Teammitglieder. Sinnvolle Bewertungskriterien werden von den Teammitgliedern festgelegt, zum Beispiel nach Umsetzbarkeit, Nutzen, Wow-Effekt,….

 

Methoden:

 

Zahlreiche Anregungen mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen findet Ihr unter Kreativitätstechniken.


Prototypen entwickeln

Prototypen entwickeln Design Thinking

In dieser Phase geht es darum, die Favoriten-Idee in einem minimalen Prototypen „anfassbar" zu machen. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Durch das Bauen eines Prototyps wird die Kreativität angeregt und es können dabei weitere Ideen entstehen. Insbesondere bei aussergewöhnlichen Ideen ist dies die einzige Möglichkeit, ein bis dato noch nicht vorhandenes Produkt so darzustellen, das man dazu Feedback bekommen kann.

 

Methoden:

  • Zeichnung
  • Mock-up: darunter versteht man klassischerweise den Entwurf einer Website in digitaler Form. Der Entwurf zeigt z. B. die Navigationsstruktur und Design-Elemente. Ein Mock-up kann aber auch eine physische Attrappe sein, z. B. ein erstes Modell von einem Produkt
  • Lego
  • Video
  • Rollenspiel 

Testen

Mit dem erstellten Prototyp geht man zur relevanten Bewerber- oder Mitarbeitergruppe und holt Feedback ein. Ziel ist dabei herauszufinden, ob man mit dem Prototypen die Bedürfnisse erfüllt oder wie dieser verbessert werden kann. Diese Schleife kann einige Male wiederholt werden. Unter Umständen kann es sogar passieren, dass man wieder zurück in die ersten drei Phasen springen muss, wenn sich herausstellt, dass man an den Bedürfnissen „vorbei entwickelt“ hat.

 

Methoden:

  • Feedback einholen
  • Dokumentation des Feedbacks 

Sieht nach viel Arbeit aus! – Ist das nicht ein bisschen viel Aufwand?

Ja und nein. Hier muss man ein bisschen differenzierter betrachten:

 

Der Design Thinking Prozess stellt sicher, dass man Ideen für sein Employer Branding entwickelt, die für die Bewerberinnen und Mitarbeiter relevant sind. Auf den ersten Blick betrachtet ist die Erforschung der Bedürfnisse mit Aufwand, Zeit und Mühe verbunden. Letzten Endes senkt man jedoch das Risiko, dass falsche Ideen weiterverfolgt werden, was wiederum zu Frustrationserlebnissen des Teams und der Mitarbeitenden führen würde.

 

Ausserdem empfiehlt es sich, immer klein anzufangen. Grundsätzlich sollte man nicht mit allen Bewerbergruppen, Mitarbeitergruppen und Themenfeldern (Recruiting, Onboarding, Entwicklungschancen, Mitarbeitergesundheit, … ) gleichzeitig starten. Für den Anfang sucht man sich ein Themenfeld aus (z. B. Azubi-Recruiting) und formuliert eine Design Challenge dazu. 

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