Geschafft! Der Ideenworkshop mit verschiedensten Kreativitätstechniken für die neue Employer Branding Kampagne ist gut gelaufen. Auf den „meterlangen“ Whiteboards kleben viele bunte Post Its, alle „prallvoll“ mit Ideen oder kleinen Skizzen. Alle Teilnehmenden sind erschöpft, aber glücklich. Man spürt gerade die positive Energie und Freude über die kreative Leistung des Teams. Doch meine nächste Anmoderation als Workshop-Coach holt meine Teilnehmer geradezu unsanft aus der kreativen Welt in die Realität zurück.
„Wir müssen aussortieren.“
„Das kann sie nicht ernst meinen, unsere schönen Ideen“. Ich sehe förmlich die Gedanken der Teilnehmerinnen in ihre Gesichter geschrieben. Und ich kann sie gut verstehen. Sich von Ideen zu trennen, die gerade erst „geboren“ wurden, ist eine echte Herausforderung. Das Dilemma dieser Challenge ist offensichtlich: Einerseits stehen noch wenig Informationen und Details zu jeder Idee zur Verfügung. Andererseits kann aufgrund begrenzter Ressourcen nicht alles umgesetzt werden.
„Wollen wir Punktekleben?“
Eine Teilnehmerin ergreift die Initiative und wirft diese Frage in den Raum. Einige andere Teammitglieder nicken zustimmend. Leider muss ich sie an der Stelle enttäuschen. Eine kurze Erklärung meinerseits, verbunden mit einem Alternativvorschlag findet letztlich die Zustimmung aller.
Wie funktioniert Punktekleben bzw. Dot Voting?
Jeder Teilnehmer erhält die gleiche Anzahl an Klebepunkten (z. B. 10 Stück) und macht sich auf den Weg zu den Whiteboards, auf dem die Ideen hängen. Er oder sie schaut sich alle Ideen an und klebt die Punkte direkt auf die Post its. Dabei sollten pro Idee nicht mehr als 3 Punkte von einer Person vergeben werden. Die Ideen mit den meisten Punkten kommen eine Runde weiter. Die Methode ist extrem einfach und schnell durchzuführen. Man kann dabei in relativ kurzer Zeit ein Feedback vom Team bekommen und die beliebtesten Ideen visuell hervorheben.
Leider hat das Dot Voting in der üblichen Variante aber auch einige Risiken.
Was sind die Risiken beim Punktekleben?
- Gruppenzwang: Unsichere oder unentschlossene Workshop-Teilnehmer schauen erst einmal, wo die anderen Kolleginnen und Kollegen ihre Punkte vergeben und schließen sich der Mehrheit an. Dadurch können wirklich gute Ideen, die häufig kontrovers sind, einfach durch das Raster fallen, wenn sie nicht von den Meinungsführern erkannt werden.
- Chef-Einfluss: Wenn der Chef bei der Bewertungs-Session dabei ist, kann es passieren, dass die Teilnehmer sich der Meinung des Vorgesetzten anschließen. Da sich auch Vorgesetzte irren können, passiert das Gleiche wie im vorherigen Punkt beschrieben.
- Kriterien sind unklar: Oft ist nicht klar, wonach die Teilnehmer ihre Punkte vergeben sollen. Während ein Teilnehmer die Ideen mit der leichtesten Umsetzbarkeit auswählt, sucht eine andere Teilnehmerin die Ideen mit dem größten vermuteten Nutzen für die Kunden heraus.
- Ähnliche Ideen „kosten“ Stimmen: Wenn es ähnliche Ideen gibt, kann es passieren, dass die Teilnehmer die Punkte auf diese Ideen aufteilen und andere Ideen dadurch keine Chance bekommen.
Alle diese Risiken kann man minimieren oder sogar ganz ausschließen, wenn man die Methode leicht abwandelt. Dazu schlage ich Euch eine „clevere“ Variante vor, die für den Workshop-Coach etwas aufwändiger, aber ganz sicher lohnenswert ist.
Die „clevere“ Variante des Dot Votings
- Die Ideenfindung von der Ideenbewertung zeitlich trennen: Schließt den Kreativ-Workshop mit dem Clustern der Ideen ab. D.h. ähnliche Ideen werden gemeinsam mit dem Team zu einer Idee gruppiert, aber nicht mehr bewertet!
- Einigt Euch im Team auf Bewertungskriterien. Was sind in Eurem speziellen Kontext die wichtigsten Kriterien für die erste Auswahl. Bei dem Employer Branding Projekt ist es vielleicht der Wow-Effekt (Einzigartigkeit) und die Umsetzbarkeit. Gibt es KO-Kriterien (zum Beispiel, Idee passt nicht zur Gesamtstrategie oder übersteigt ein bestimmtes Budget)? Dann legt auch diese fest. Gebt ein Kriterium dazu, dass sich „Joker“ oder „Lieblingsidee“ nennt. Jeder bekommt einen Extra-Punkt dafür, um seine Lieblingsidee zu küren.
- Jetzt kommt der größte Unterschied zum normalen Dot Voting: Das eigentliche Dot Voting macht jeder für sich selbst, nachdem er darüber geschlafen hat. Dafür schlage ich Euch drei Möglichkeiten vor:
- Ihr lasst die Whiteboards stehen, verteilt nur die Klebepunkte und lasst den Raum für eine Woche geöffnet. In dieser Zeit kann jede Teilnehmerin reingehen und ihre Punkte kleben, wann es gerade passt. Nachteil: Die Teilnehmer, die später dran sind, sehen auch wiederum, wie die Vorgänger sich entschieden haben. Das kann sie natürlich beeinflussen.
- Der Workshop-Coach nummeriert die Ideen durch, macht ein Foto und schickt es an alle Teilnehmer. Die Teilnehmer melden ihre Favoriten an den Workshop-Coach zurück, der dann die Punkte entsprechend den Rückmeldungen verteilt. Der Vorteil ist hier, dass die Teilnehmer nicht sehen, wie die Anderen gestimmt haben und somit wesentlich weniger Einflussnahme stattfindet. Voraussetzung ist natürlich, dass man die Ideen auf den Fotos gut erkennen und lesen kann.
- Die letzte Variante ist für den Workshop-Coach am Aufwändigsten. Dieser nimmt alle Ideen in eine Excelliste auf und schickt es an alle. Die Teilnehmer tragen ihr Voting direkt in die Excelliste ein und schicken es zurück an den Workshop-Coach. Dieser erstellt eine Gesamtliste, die beim nächsten Treffen präsentiert wird. Der Vorteil ist hier, dass die Teilnehmer zu den bestehenden Ideen in der Excelliste gleich weiterführende Gedanken notieren und ergänzen können.
Mit diesen Varianten könnt ihr die Vorteile des Dot Votings nutzen und die Risiken minimieren.
Probiert die Varianten aus und schreibt mir in den Kommentaren, was am Besten funktioniert hat. Vielleicht habt Ihr ja auch noch eine weitere Variante auf Lager. Dann gerne her damit.
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Corinna Purmann (Donnerstag, 10 Juni 2021 18:17)
Das ist eine super Idee.
Jeder weiß ja selbst, manchmal ist eine Nacht darüber schlafen und Abstand bekommen gut um die Idee tatsächlich nochmals zu beleuchten und vielleicht selbst festzustellen, dass die erste Euphorie doch nicht so ganz dem entspricht. oder aber nach der Nacht weiß man, dass es genau das richtige ist. Wenn man dann noch per Email abstimmen kann, ohne das jemand sich positiv oder negativ darüber äußern kann ist das auch für Personen der beste Weg die eben nicht so gerne Ihre Meinung sagen und vertreten. Ich werde diese Methode auf jedenfall für die nächsten Brainstroming und Ideenwerkstätten umsetzten. vielen Dank für die Info